Nudging

Wie unbewusste Faktoren genutzt werden, um angestrebte Entscheidungen zu erreichen.

Was ist Nudging?

Nudging bedeutet, dass die Umgebung einer Entscheidung so gestaltet wird, dass eine Option wahrscheinlicher gewählt wird – ohne Verbote und ohne starke finanzielle Anreize. Ein klassisches Beispiel: Obst auf Augenhöhe platzieren, Süßes etwas weiter hinten. Die Wahl bleibt frei, aber das Verhalten wird vorhersagbar beeinflusst. Thaler & Sunstein nennen diese Gestaltung der „Choice Architecture“ den Kern eines Nudges. Nudging bedeutet jedoch etwas anderes als de-biasing.

So erkennst du einen „echten“ Nudge

  • Wahlfreiheit bleibt: Kein Verbot, kein Zwang; Das Herausoptieren (Opt-out) ist einfach – darauf legen Thaler & Sunstein im Buch „Nudge“ Wert.
  • Geringe Kosten zum Abwählen: Die „bevorzugte“ Option (der sogenannte „Default“) ist bequem, andere bleiben erreichbar.
  • Ziel vorgegeben: Nudging zielt auf die Einhaltung eines bestimmten Verhaltens ab, das nicht von den „ge-nudgten“ Personen, sondern Dritten festgelegt wird. Das ist ein zentraler Unterschied zu unserem Ansatz auf de-biasing.com.
  • Vorhersagbare Wirkung: Die Gestaltung erhöht die Auswahlwahrscheinlichkeit erkennbar.
  • Wirkung statt Moral: Es geht um Umgebungsdesign, nicht um Belehrung. Es ist daher nicht notwendig, den Nudge als solchen zu kennzeichnen.

Zusammenfassung: Nudging ist seit mittlerweile vielen Jahren verbreitet und findet vielfältig Anwendung – vor allem bei politisch-gesellschaftlichen, aber auch kommerziellen Zielen. Die Grundlage eines Nudges sind das Wissen um die Wirkungen von Unconscious Biases und menschlichen Verhaltensmustern. Die „Choice Architecture“ wird mit Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel gestaltet. Nudging ist daher etwas anderes als De-Biasing, bei dem etwa die Kompetenzziele selbst definiert werden – vertiefe den Unterschied im Artikel „De-Biasing Prozess“.

 

Wie funktioniert ein Nudge?

Ein Nudge (deutsch „Stupser“) wirkt über die Gestaltung der Entscheidungssituation: Reihenfolge, Sichtbarkeit, Voreinstellungen, Formulierungen oder soziale Hinweise. Diese Elemente der „Choice Architecture“ lenken unsere Aufmerksamkeit und erleichtern die bevorzugte Option – ohne Zwang. Die Philosophie dahinter nennt man libertärer Paternalismus.

Die wichtigsten Wirkhebel eines Nudge

  • Defaults (Voreinstellungen): Was vorausgewählt ist, wird häufiger angenommen (z. B. Opt-out statt Opt-in: eine Option, die man aktiv wählen muss, selektieren wir weniger als eine voreingestellte, die wir abwählen müssen).
  • Sichtbarkeit & Platzierung: Sichtbarkeit, Reihenfolge und Nähe erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Auswahl.
  • Framing & Sprache: Wie Optionen benannt und beschrieben werden, verändert Präferenzen.
  • Feedback & Erinnerungen: Fortschrittsbalken, Reminder oder Ziel-Prompts senken Trägheit und führen zu häufigerem gewünschtem Verhalten.
  • Soziale Normen: Hinweise, was „die meisten“ tun, verschieben Erwartungen.

Zusammenfassung:  Um einen Nudge umzusetzen, empfiehlt sich zunächst eine klare Zielentscheidung (z. B. „Termin buchen“). Danach ergibt die Nutzerreise (User Journey) Entscheidungspunkte und mögliche Reibungen. Ein Test jeder einzelnen Veränderung misst Ergebnis und Nebeneffekte, dabei stellt das Wissen um unbewusste Verhaltensmuster die Grundlage der Interventionen dar. Der Nudge ist vollständig, wenn die gewählte Entscheidungsarchitektur das Verhalten einer ausreichenden Anzahl an Menschen verändert. Lerne mehr über die Vorhersehbarkeit verschiedener Biases in unserer WIssensbiblliothek und in unseren Kursen.

 

Was sind Beispiele für Nudging?

Viele Alltagsbeispiele zeigen, wie kleine Gestaltungen Verhalten lenken: vorgeschnittene Äpfel in Kantinen, Default-Einstellungen bei Sparplänen, oder Normhinweise in Formularen. Wichtig ist dabei nicht die Größe der Änderung, sondern die Leichtigkeit, mit der sie umgangen werden kann.

Fünf typische Praxisbeispiele für Nudges

  • Kantine: Obst am Anfang der Linie; süße Snacks weiter hinten – die gesündere Auswahl steigt.
  • Vorgeschnittenes Obst: Geschnittene Äpfel erhöhen etwa den Verzehr in Schulen signifikant (weniger Reibung).
  • Pensionsvorsorge: Automatisches Opt-in + leichter Ausstieg führt zu höheren Teilnahmequoten.
  • Online-Formulare: „Viele Nutzer:innen wählen Option X“ (soziale Norm) bringt höhere Abschlussraten.
  • Produkt-UI: Fortschrittsbalken, „Streaks“, sanfte Reminder bedeutet, dass mehr Aufgaben fertiggestellt werden

Empfehlung: Nudging begegnet uns täglich und sind längst in der kommerziellen Welt angekommen. Falls du selbst Nudges setzen möchtest, wähle Anwendungsfelder direkt in deinem Anwendungskontext und formuliere Ziele. Überlege dir Ziele und dokumentiere diese. Du könntest Nudging auch für die Umsetzung persönlicher Kompetenzziele aus einem unserer Kurse (wie „Entscheidungsschwäche einfach überwinden“ oder „Risiken besser managen“) einsetzen. Kleine „Anstupser“ helfen dir dabei, neue Routinen täglich umzusetzen.

  

Ist Nudging manipulativ?

Nudging wird nicht nur positiv gesehen, es kann manipulativ sein –  Ziele können intransparent, Opt-outs schwer sein. Daneben müssen die Interessen der „Nudger“ gegenüber den „genudgten“ Personen nicht gleichlauten. Seriöses Nudging folgt daher Ethik-Standards, bleibt jedoch für die Betroffenen nicht abgrenzbar gegenüber unseriösen Praktiken. Insbesondere die Übernahme der Zielsetzung kann zu Misstrauen führen, daher folgt de-biasing anderen, transparenten Prinzipien.

Offenheit, leichte Vermeidbarkeit, Nutzenorientierung, evidenzbasierte Tests. Internationale Organisationen wie die OECD geben dazu klare Prinzipien und Checklisten heraus.

Ethik-Check in 5 Punkten

  • Transparenz: Zweck, Daten, Alternativen klar benennen.
  • Leichtes Opt-out: Keine Hürden, keine Kostenfallen, keine Dark Patterns.
  • Proportionalität: Maßvolle Eingriffe, keine „Übersteuerung“.
  • Evidenz & Monitoring: Vorab testen, Nebenwirkungen prüfen, regelmäßig evaluieren.
  • Zielkongruenz: Was nützt den Betroffenen – nicht nur der Organisation?

Zusammenfassung: Solltest du selbst Nudges gegenüber anderen Personen setzen wollen, überprüfe die ethischen Voraussetzungen (eine umfangreiche Richtlinie siehe etwa OECD). Für persönliche Ziele eignen sich individuelle Nudges – da sie wie De-Biasing unbewusste Muster verändern, können sie Weiterentwicklungsprozesse effektiv unterstützen.  Unsere Haltung auf de-biasing.com ist, dass Transparenz und Selbstautonomie im Vordergrund stehen, da die Wahrnehmung von Manipulation schnell auftreten kann – Näheres dazu sowie der Vergleich Nudging vs. De-Biasing im Artikel zum De-Biasing-Prozess).

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