Wir alle haben eine Meinung zu den wesentlichen Dingen in unserem Umfeld. Daniel ist sympathisch, die neue Strategie ist sinnvoll, Horoskope sind Zeitverschwendung. Unabhängig davon, ob diese Beispiele „richtig“ oder „falsch“ sind, stellen unsere Meinungen einen wichtigen Teil unserer Identität und sozialen Zugehörigkeit dar. Was dabei automatisch und unbewusst passiert: Wir nehmen die Informationen stärker wahr, die unsere bestehende Meinung bestätigen, und suchen auch stärker nach ihnen.
Der Confirmation Bias (deutsch Bestätigungsfehler) wird immer wieder als Ausgangspunkt zahlreicher anderer Biases bezeichnet. Obwohl wir seine Bedeutung und die vielfältigen Konsequenzen leicht verstehen, können wir ihn im Alltag sehr schwer bändigen. Es wäre jedoch wichtig, genau dies zu tun, denn unsere Meinungen sind häufig undifferenziert oder einfach falsch. Wie damit starten? Es geht zunächst darum, die Hintergründe, Wirkungen und Querverbindungen zu verstehen, um danach erste Gegenmaßnahmen zu starten – beides findest du in diesem Artikel.
Die Hintergründe zum Confirmation Bias: gefilterte Wahrnehmung und der Drang nach Bestätigung
Ich habe meine Traumimmobilie gefunden – nach Jahren der Suche habe ich mich dafür entschieden, diese tolle Wohnung in der Innenstadt zu kaufen. Sie liegt verkehrsgünstig, die Räume sind gut geschnitten und das Preis-Leistungsverhältnis passt. Die Informationen der Maklerin hören sich stimmig an. Ich recherchiere noch etwas und finde weitere Argumente, die mich in meiner Einschätzung bestärken – ich muss hier einfach zuschlagen! Meine Partnerin scheint weniger euphorisch – sie findet die Umgebung zu laut und hat gemeint, dass einige Fragen zur letzten Sanierung von der Maklerin nicht wirklich schlüssig beantwortet wurden.
Mein Risiko in dieser Situation: Der Confirmation Bias führt dazu, dass ich nur Informationen als relevant betrachte bzw. danach suche, die meine Meinung bestärken. Die Skepsis meiner Partnerin und ihren Appell, nach relativierenden Informationen zu suchen, ignoriere ich. Letzteres wäre rückwirkend betrachtet besser gewesen: Nach dem Kauf und unserem Einzug erwies sich der Verkehrslärm als äußerst störend, und beim ersten Starkregen trat ein größerer Wasserschaden auf, da die Sanierung doch nicht so professionell durchgeführt wurde wie die Maklerin zugesichert hatte.
Im Laufe der Evolution mussten wir Menschen schnelle Entscheidungen auf Basis des vorhandenen Wissens bzw. der bekannten Hypothesen treffen. Um zu überleben, waren in der Regel keine komplexen Alternativmodelle zu bilden. Bestätigung war sinnvoll; ein wissenschaftlicher Ansatz zur Falsifizierung bzw. der Suche nach „disconforming evidence“ nicht nötig.
Die Zeiten haben sich geändert.
Bestätigungsfehler bzw. Confirmation Bias – eine Definition:
- Übergewichtung von Aussagen bzw. Informationen, die konsistent mit unserer bevorzugten Meinung sind;
- Dadurch Untergewichtung oder Ignorieren der Aussagen bzw. Informationen, die dagegensprechen;
- In der Konsequenz selektive Wahrnehmung und Interpretation in Richtung bestehender Theorien, Anschauungen und Überzeugungen.
Insbesondere der Konnex mit ständig ablaufenden Assoziationen bzw. dem damit verbundenen Association Bias führt zur selektiven Suche bzw. einer stark gefilterten Wahrnehmung.
„Tatsachen hören nicht auf zu existieren, nur weil sie ignoriert werden.“ Diese Aussage von Aldous Huxley illustriert gut, welche problematischen Konsequenzen der Bestätigungsfehler für uns hat. Wir ignorieren vielleicht die wichtigste Information, die unsere persönliche Filterblase nicht erreicht.
Was ist das Problem – Confirmation Bias Beispiele in der Praxis
Eine falsche Meinung zu haben, kann teuer sein, wie im Beispiel zum Wohnungskauf illustriert. Confirmation Bias Beispiele sind etwa:
- Persönliche Glaubenssätze („Ich bin …“, „Es ist so, dass …“), die sich im Laufe der Zeit immer stärker verfestigen;
- Leistungsbeurteilung in Unternehmen („Unsere Stärken sind …“ oder „Frau Huber ist fleißig“), bei denen Anekdoten und punktuelle Ereignisse zur Verstärkung bestehender Hypothesen und Interpretationen verwendet (und nicht die wirklichen Gründe gesucht) werden;
- Stärkere Polarisierung – Gruppen grenzen sich voneinander vermehrt ab, indem sie lediglich bestätigende Informationen zulassen;
- Vorgefasste Meinung anderer (z.B. Influencer) wird übernommen und „rationalisiert“ – Gründe dafür werden gesucht und keine widersprüchlichen Argumente;
- Innovationen werden nicht gestartet oder weiterverfolgt, da es „nicht notwendig“ ist oder falls schlechte Erfahrungen mit einem ähnlichen Fall gemacht wurden (was als Argument dagegen verwendet wird).
Darüber hinaus suchen wir Menschen nach Identität, was wiederum auf eigenen Werten und Überzeugungen beruht. Der Bestätigungsfehler spielt hier insofern hinein, als er die Identität gewissermaßen schützt sowie subjektive Sicherheit gibt. Das Hinterfragen der eigenen Positionen oder Meinungen scheint gewissermaßen ein Angriff auf diese zu sein.
Digitalisierung und Filterblasen machen den Bestätigungsfehler immer relevanter
Im Zuge der Digitalisierung wurden virtuelle Filterblasen evident – wir haben dem Filter-Bubble-Effect einen eigenen Abschnitt gewidmet – er hängt eng mit dem Confirmation Bias zusammen.
Es scheint, dass trotz immer mehr Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung der Bestätigungsfehler in seiner praktischen Relevanz nicht ab-, sondern zunimmt. Wie bereits erwähnt, ist er einer der am universellsten wirkenden Biases – deshalb sind effektive Gegenmaßnahmen gefragt!
Wir kommen alle regelmäßig mit dem Bestätigungsfehler in Berührung – lass uns deine Erfahrungen damit wissen! Use cases sind bei diesem Bias äußerst sinnvoll, da er sehr weitgehend wirkt und diese Beispiele praktische Ansatzpunkte für De-Biasing geben.
Wie können wir den Bestätigungsfehler besser kontrollieren?
De-Biasing Maßnahmen
Die Wirkungen des Confirmation Bias zu vermindern, braucht verschiedene De-Biasing Ansätze. Wir beschäftigen uns damit vertiefend in Kursen, im Forum sowie in Community Talks, können jedoch wesentliche Startpunkte definieren:
Weitere Biases sind eng verbunden
Diese ersten Maßnahmen sind nicht abschließend gedacht, geben aber bereits praktische Ansatzpunkte. Wichtig dabei ist, die eigenen Standpunkte und Erklärungsmodelle mit einer kritischen Haltung zu hinterfragen, die idealerweise neugierig und nicht destruktiv ist. Es geht nicht darum die eigene, über Jahre aufgebaute, Identität abrupt zu zerstören, sondern um die Vergrößerung von Handlungsspielräumen – denn unsere Meinung ist manchmal falsch.
Erzähle uns gerne über deine Erfahrungen und deine persönlichen De-Biasing Methoden!
In der Praxis sind folgende weitere Querverbindungen bzw. Biases relevant:
- Association Bias
- Barnum-Effekt
- Filter-Bubble-Effekt
- Overconfidence
- Group think
Zusammenfassung & nächste Schritte
- Der Confirmation Bias (deutsch Bestätigungsfehler) ist ein äußerst weitreichender Bias.
- Unser Weltbild ist manchmal zu eng und berücksichtigt Informationen nicht, die unserer Meinung widersprechen.
- De-Biasing setzt an der praktischen Ausprägung an und hat das Ziel, den Informationsfilter als ersten Schritt zu „öffnen“.
Unser Kurs „Einführung in die Welt der Biases“ widmet dem Bestätigungsfehler ein eigenes Modul und diskutiert weitere De-Biasing Ansätze. Absolviere ihn und schärfe deine Wahrnehmung Schritt für Schritt! Unsere Community (sowohl beim Kurs als auch im allgemeinen Forum) diskutiert aktuelle Themen wie dieses und bietet weitere Perspektiven und Lösungsansätze. Nimm an der Diskussion teil und profitiere von den Erfahrungen anderer!
Alle Links, die wir im Text verwendet haben
https://de-biasing.com/assoziation-unser-gehirn-eine-verknuepfungsmaschine/
https://de-biasing.com/assoziationsfehler-association-bias/
https://de-biasing.com/fachbegriffe/filterblase-filter-bubble-effect-wie-er-uns-einschraenkt/
https://de-biasing.com/courses/einfuehrung-in-die-welt-der-unconscious-biases/
Weiterführende Quellen:
- Daniel Kahneman – Thinking, fast and slow
- Rolf Dobelli – Die Kunst der klaren Denkens
- How Confirmation Bias Affects Decision-Making (communicationtheory.org)
- Nickerson, R. S. (1998) – Confirmation Bias: A Ubiquitous Phenomenon in Many Guises
- Klayman, J., & Ha, Y.-W. (1987):- „Confirmation, Disconfirmation, and Information in Hypothesis Testing.