Halo Effekt

Ein Heiligenschein, der nicht immer hilfreich ist

Warum wir den Halo Effekt nur ungern akzeptieren
Wie der Halo Effekt unsere Beurteilung von Leistungen stört
Konkrete De-Biasing Schritte für eine gelungene Zusammenarbeit
Alle Biases

    Stelle dir Folgendes vor: Du wartest bei einem Vorstellungsgespräch auf den nächsten Bewerber. Er erscheint in tadelloser Kleidung, strahlt Selbstvertrauen und hat einen Lebenslauf, der auf einen beeindruckenden Bildungshintergrund schließen lässt. Dein erster Eindruck ist überwältigend positiv. Aber jetzt kommt der Clou: du nimmst mit großer Wahrscheinlichkeit an, dass der Bewerber auch in anderen Bereichen hervorragend sein muss. Wenn das der Fall ist, dann hast du gerade den Halo Effekt in Aktion erlebt.​

    Dieser Bias beeinflusst stark unsere Meinungen und kann sie leicht verzerren, besonders in der menschlichen Zusammenarbeit. Es gibt ihn nicht nur in der positiven Version – es kann durchaus sein, dass wir andere grundlos geringschätzen. FInde heraus, ob auch du davon betroffen bist!

    Der Halo Effekt als schwer akzeptierbares Faktum

    „Das passiert mir doch nicht.“ Eine häufige Reaktion auf Beispiele wie diese. Der Punkt ist: es passiert ständig – im privaten Bereich ebenfalls wie im Geschäftsleben. Phil Rosenzweig beschreibt in seinem Buch „The Halo Effect“ eindrucksvoll, welche verzerrten Schlussfolgerungen im Unternehmensbereich an der Tagesordnung sind. Er ist ebenso regelmäßig in der Medienberichterstattung zu finden.

    Beispiel Apple: im Ranking des Magazins Fortune erreichte es 2008 zum ersten Mal die Spitzenposition der World’s Most Admired Companies, die es viele Jahre behielt. Interessant dabei: das Unternehmen wurde auch in anderen Kategorien an die Spitze oder knapp darunter gewählt, etwa bei Innovation, Produktqualität, Personalführung, Managementqualität oder sozialer Verantwortung. Wie wahrscheinlich ist es, dass eines von Millionen Unternehmen überall besser als alle anderen ist?

    Positive Assoziationen werden oft auf verschiedene Weisen übertragen und überbewertet. Dies gilt besonders bei charismatischen Persönlichkeiten wie etwa Steve Jobs.Die schnelle Übertragung eines positiven Merkmals kann unsere Urteilsfähigkeit beeinträchtigen. Das kann sich auf viele Bereiche des Lebens auswirken. Durch den Prozess der nachträglichen Rationalisierung fällt es in der Regel auch nicht schwer, Gründe dafür zu nennen, warum Apple etwa bei der sozialen Verantwortung top ist.

    Bewerbungsgespräche, Produkt- bzw. Verpackungspolitik oder persönliche Beziehungen: alles Bereiche, in denen uns der Halo Effekt in die Irre führen kann.

    Halo Effekt Definition – der Heiligenschein-Effekt in der Praxis

    Der Begriff Halo Effekt bezieht sich auf den kognitiven Vorgang, bei dem ein einzelnes positives Merkmal oder ein erster positiver Eindruck unsere Gesamtbewertung einer Person, eines Objekts oder einer Situation beeinflusst. Dies führt dazu, dass wir automatisch positive Assoziationen auf andere Eigenschaften oder Bereiche übertragen, die möglicherweise gar nicht direkt mit dem ursprünglichen positiven Merkmal in Verbindung stehen. Der Halo-Effekt-Bias kann unsere Urteilsfähigkeit beeinträchtigen, indem er uns dazu verleitet, vereinfachte und möglicherweise ungenaue Einschätzungen zu treffen.

    Diese Vereinfachung von Informationen durch unser Gehirn ist ressourcenschonend, führt aber zu schweren Fehlurteilen. Der Halo Effekt bedeutet, dass der Schluss aus einer positiven Eigenschaft weitere positive Eigenschaften impliziert. Es muss aber kein Heiligenschein (= englisch Halo) sein, der uns in die irre führt. Dieselben Mechanismus gibt es auch bei negativen Eigenschaften – der Schluss aus einer ungünstigen Eigenschaft auf andere wird als Horn Effekt bezeichnet (englisch Horn bezieht sich auf die Hörner des Teufels, im Gegensatz zum Heiligenschein).

     

    Wie hat uns die Forschung über die Armee zu einem der wichtigsten Bias geführt?

    Der Halo-Effekt-Bias wurde ursprünglich von dem Psychologen Edward Lee Thorndike erforscht. In den frühen 1920er Jahren führte Thorndike eine Studie zur Bewertung von Offizieren der US Army durch. Dabei stellte er fest, dass eine positive Eigenschaft oder Leistung eines Offiziers die Wahrnehmung und Beurteilung anderer Eigenschaften positiv beeinflusste. Diese Beobachtung bildete die Grundlage für seine Theorie des Halo-Effekts. Seitdem haben viele andere Forscher den Heiligenschein-Effekt und seine Auswirkungen in verschiedenen Kontexten weiter untersucht und erforscht.

     

    Wie der Halo Effekt unsere Leistungsbeurteilungen verzerrt

    Wir greifen ein Beispiel heraus, um die Auswirkungen des Halo-Effekts zu illustrieren. Eine Kernaufgabe von Führungskräften ist die Leistungsbeurteilung – welche Verzerrungen können dabei entstehen?

    • Positiver Halo Effekt:
      Mitarbeiter, die sich in einem Bereich besonders hervortun, erhalten unter Umständen eine höhere Gesamtleistungsbewertung, auch wenn ihre Leistung in anderen Bereichen durchschnittlich oder unterdurchschnittlich ist. Das generelle Bild von der spezifischen Person verstärkt dies möglicherweise noch. Diese Voreingenommenheit kann sich auf Entscheidungen im Zusammenhang mit Beförderungen und Gehaltserhöhungen auswirken.
    • Horn Effekt (negativer Halo-Effekt):
      Wenn ein Mitarbeiter eine offensichtliche Schwäche hat oder einen klaren Fehler macht, kann dies seine anderen Leistungen überschatten. Möglicherweise führt dies neben einer ungünstigen Leistungsbewertung auch dazu, Eigenschaften wie Intelligenz, Einstellung oder Verlässlichkeit in ein schiefes Licht zu rücken.

     

    In Beispielen wie diesen wird der Halo-Effekt-Bias durch andere Biases verstärkt werden, drei Beispiele illustrieren wie:

    • Ähnlichkeitsbias:
      Der Ähnlichkeitsbias bezieht sich auf unsere Tendenz, Menschen oder Dinge positiver zu bewerten, die uns ähnlich sind oder mit denen wir Gemeinsamkeiten haben. Dieser Bias kann den Halo Effekt verstärken, da wir Personen, die uns ähnlich sind oder mit denen wir Gemeinsamkeiten teilen, eher positive Eigenschaften zuschreiben und deren negative Aspekte übersehen oder rationalisieren.
    • Kontrasteffekt:
      Der Kontrasteffekt tritt auf, wenn unsere Wahrnehmung und Bewertung einer Person oder eines Objekts durch den direkten Vergleich mit anderen Personen oder Objekten beeinflusst wird. Wenn wir zuvor eine Person mit herausragenden positiven Eigenschaften erlebt haben, kann dies zu einem Kontrasteffekt führen, bei dem wir andere Personen oder Objekte als weniger positiv oder weniger kompetent wahrnehmen, selbst wenn sie objektiv betrachtet ebenfalls positive Merkmale aufweisen.
    • Bestätigungsfehler:
      Der Bestätigungsfehler beschreibt unsere Tendenz, Informationen so zu interpretieren oder auszuwählen, dass sie unsere vorhandenen Überzeugungen und Erwartungen bestätigen. Wenn wir einmal eine positive Meinung über eine Person oder ein Objekt aufgrund des Halo-Effekts gebildet haben, suchen wir unbewusst nach weiteren Informationen oder Erfahrungen, die diese positive Meinung bestätigen. Informationen, die dieser Meinung widersprechen könnten, ignorieren wir möglicherweise oder werten sie ab.

     

    Die Kombination mehrerer dieser Biases kann zum Ergebnis führen, dass etwa Leistungsbeurteilungen weit von der realen Leistung entfernt sind. Eine negative „Bias-Spirale“ verstärkt sich mehr und mehr, der betroffenen Person gelingt es dann nicht mehr, durch Zahlen, Daten und Fakten positiver gesehen zu werden. Für ein Unternehmen stellt dies ein signifikantes Risiko dar, weil es möglicherweise die falschen Personen fördert und wichtige Menschen verliert.
    Im Use Case Feedback widmen wir uns einer Kombination zweier Biases, die den Mehrwert von Rückmeldungen gefährden können.

    Weniger Heiligenschein, mehr Realität – praktische De-Biasing Maßnahmen

    Der Halo Effekt ist omnipräsent, da unser Gehirn auf rasche Schlussfolgerungen ausgelegt ist. Gegenmaßnahmen empfehlen sich dann, wenn es um wichtige Beurteilungen oder Entscheidungen geht. Erste Schritte sind:

    • Selbstkritik:
      Meinungen über andere Menschen oder Unternehmen sind rasch gefällt – worauf basieren sie eigentlich? Eine Objektivierung und kritische Reflexion des eigenen Meinungsbilds empfehlen sich. Wenn ich etwa der Meinung bin, dass Apple beim Thema soziale Verantwortung vorbildlich agiert (ich sage nicht, dass es das nicht tut), kann ich überprüfen, auf Basis welcher Informationen ich zu diesem Schluss gekommen bin.
    • Systematik:
      Bei Bewertungsfragen (etwa Leistung, Unternehmen, Beziehungen) sollten Fakten getrennt voneinander gesammelt und analysiert werden. Die Auswertung in verschiedenen Kategorien mit klar vorab definierten Kriterien ergibt den nötigen Abstraktionsgrad.
    • Perspektiven erweitern:
      Es kann hilfreich sein, verschiedene Meinungen und Einschätzungen von anderen Personen einzuholen. Durch den Austausch und die Diskussion von verschiedenen Sichtweisen kann man eine ausgewogenere Beurteilung erreichen. Die Methode der Diskussion und die Moderation sind dabei entscheidend. Ein Halo Effekt kann sonst relativ leicht erzeugt werden, indem anekdotische Erzählungen bzw. Meinungen die Stimmung innerhalb der Gruppe prägen.

     

    Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass der Halo-Effekt-Bias weniger offensichtlich in Erscheinung tritt wie andere kognitive Verzerrungen – darum ist er manchmal schwer zu glauben. Überall dort, wo Neutralität und eine objektivere Betrachtung gefragt sind, sollte man ihn berücksichtigen. Durch eine bewusste Überprüfung unserer Wahrnehmung und Urteile können wir eine ausgewogenere und fundiertere Sichtweise entwickeln.

    Zusammenfassung

    • Der Halo Effekt ist eine weit verbreitete kognitive Voreingenommenheit, die beeinflusst, wie wir Personen, Produkte oder Unternehmen auf der Grundlage eines einzigen Merkmals oder Aspekts wahrnehmen und bewerten. Dieses psychologische Phänomen hat erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des Arbeitslebens und der Wirtschaft.
    • Das Vorhandensein des Halo Effekts zu erkennen, ist für Einzelpersonen und Organisationen entscheidend, um voreingenommene Entscheidungen zu vermeiden. Wenn man sich zu sehr auf einen positiven oder negativen Heiligenschein verlässt, kann dies zu
      • einer ungenauen Beurteilung von Kompetenzen führen,
      • Bemühungen um Vielfalt und Integration behindern und
      • zu fehlerhaften strategischen Entscheidungen beitragen
    • Durch die Förderung des Bewusstseins für kognitive Verzerrungen wie den Halo Effekt und die Einführung von Praktiken, die faire und unvoreingenommene Bewertungen fördern, können Organisationen Entscheidungsprozesse verbessern, die Vielfalt fördern und ein integrativeres und gerechteres Arbeitsumfeld schaffen. Auch Einzelpersonen können davon profitieren, wenn sie sich ihrer eigenen Voreingenommenheit bewusst sind und sich bemühen, ihre Urteile auf der Grundlage eines umfassenden Verständnisses der relevanten Faktoren zu fällen, anstatt dem Einfluss eines einzelnen hervorstechenden Merkmals zu erliegen.

     

    Alle Links, die wir im Text verwendet haben

    https://de-biasing.com/fachbegriffe/assoziation-unser-gehirn-eine-verknuepfungsmaschine/

    https://de-biasing.com/biases/bestaetigungsfehler-confirmation-bias/

    https://de-biasing.com/feedback-feedforward-oder-feedsomething-wie-koennen-wir-unverzerrte-rueckmeldungen-geben/

     

    Weiterführende Quellen:
    Rosenzweig, Phil. The Halo Effect: … and the Eight Other Business Delusions That Deceive Managers. Free Press.

     

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