Diversität in Unternehmen als Chance und Challenge

Markus Eckhart über eigene Erfahrungen als Führungskraft und neue Zugänge

Woran Diversitäts-Initiativen oft scheitern
Welche Zugänge sich für engagierte Personen empfehlen
Wie ich als Führungskraft Diversität im Team fördern kann
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    Es wird viel über Diversität in Unternehmen gesprochen – LinkedIn ist etwa voll mit Bekenntnissen dazu seitens vieler Organisationen. Daneben gibt es Empfehlungen, Top 5 Listen und zahlreiche Beratungsunternehmen, die sich ihr als zentrales Thema verschrieben haben. Unconscious Bias Trainings werden dabei häufig als Mittel angeboten, um Diversität zu verbessern.

    Wenn ich mit Menschen aus Unternehmen spreche, nehme ich regelmäßig mit, dass es an der praktischen Umsetzung oft scheitert. Warum ist das so? Wird der Mehrwert nicht erkannt? Gibt es diesen womöglich gar nicht?

    In diesem Text beschreibe ich meine eigenen Erfahrungen als Führungskraft rund um dieses spannende Thema. Wie können wir Diversität im Business nutzen?

    Das Dilemma engagierter Personen Diversität Bedeutung zu geben

    Personen, die Diversität Bedeutung im Business geben möchten, stehen vor einem ähnlichen Dilemma wie diejenigen, die andere „softe“ Themen wie Gesundheits- und Sicherheitsmanagement oder die Unternehmenskultur verbessern möchten (ja, auch De-Biasing gehört hier dazu): Der Business Case dafür ist im Vergleich zu klassischen Investitionen weniger greifbar, unklarer und indirekt. Die Diskussionen dazu kenne ich aus meiner langjährigen Tätigkeit rund ums Thema Business Cases sehr gut.

    Ein „klassischer“ Business Case, etwa für eine Investition in eine neue Produktionsanlage, ist relativ einfach zu verstehen. Man gibt zunächst Geld aus und geht davon aus, aufgrund der verbesserten Eigenschaften der Anlage (etwa höherer Durchsatz, geringere Kosten oder verbesserte Qualität) im Laufe der Zeit mehr Geld zu verdienen.

    Bei den sogenannten „soften“ Themen stellt sich dies anders dar:

    • Keine direkte Relation zwischen Investition und Geldrückfluss:
      Wenn ich etwa in De-Biasing zur Verbesserung der Entscheidungsprozesse investiere, wirkt dies mittelbar. Das Resultat einer besseren Entscheidungsqualität ermöglicht es, die Ziele der Organisation besser zu erreichen. Einen unmittelbaren Konnex zwischen Input und Output gibt es in dier Regel nicht.
    • Risikovermeidung bedeutet keine finanziellen Verbesserung:
      Fokus auf Arbeitssicherheit oder mentale Gesundheit als Beispiele dafür bewirkt, dass ich etwa Unfällen oder psychischen Erkrankungen vorbeuge. Wenn ich sie durch passende Maßnahmen verhindere, ist deren negativer Effekt nicht sichtbar und kann daher nicht quantifiziert werden. Das finanzielle Ergebnis ist stabil, nicht inkremental. Ich kann im Nachhinein nicht feststellen, welcher Schaden ohne die Maßnahme eingetreten wäre.
    • Situation ist meist weniger konkret und wirkt auf eher allgemeinem Niveau:
      Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmenskultur wirken etwa durch ihre Breite. Weder ist garantiert, dass bei jeder einzelnen Person Fortschritte bemerkbar sind, noch sind sie in der Regel aufgrund ihrer Komplexität klar von anderen Initiativen abgrenzbar.

     

    Diese Fälle sind daher mit „klassischen“ Business Cases schwer vergleichbar und haben daher in den meisten Unternehmen geringere Chancen zur Realisierung. Es gibt zwar Studien, die bestätigen, dass Investitionen in mehr Diversität in Unternehmen, verbesserte Sicherheit oder De-Biasing wirtschaftlich Sinn machen – oft mehr als in die traditionellen Alternativen. Der Startnachteil bleibt jedoch bestehen und wird gerne als Argument gegen sie verwendet. Hier spielt in der Regel der Availability Bias eine Rolle – die besser verfügbaren Informationen bei „handfesten“ Investitionen lassen deren gefühlte Trefferquote steigen, manchmal ohne Grund.

     

    Wo kann man hier ansetzen?

    Ich hatte die Möglichkeit in einem österreichischen Top 10 Unternehmen den Investitionsprozess des Konzerns ebenso zu verantworten wie die Berechnung und Vergleichbarkeit von Business Cases. Es haben sich vor allem zwei Aspekte als zielführend in Bezug zu unserem Thema gezeigt:

    • Nicht-vergleichbare Fälle am besten nicht vergleichen:
      Es erzeugt verzerrende Anreize, wenn jedes Projekt im Unternehmen mit denselben finanziellen Kennzahlen (etwa Nettobarwert / Englisch: net present value oder NPV oder interne Verzinsung / Englisch: internal rate of return bzw. IRR) gerechnet werden muss. Warum? Sie werden häufig „schöngerechnet“, indem mittels fantasievoller Annahmen finanzielle Vorteile versprochen werden (auch wo manchmal keine zu finden sind). Es kostet sehr viel Zeit und Mühe, die wirklichen Erwartungen und Erfolgstreiber herauszuarbeiten. Wenn daher die Natur verschiedener Optionen nicht mit denselben Kriterien verglichen werden kann, ist es zielführender diese zu differenzieren.
    • Kapital für Investitionen in verschiedene Töpfe aufteilen:
      Die Konsequenz des ersten Punktes ist es, Projektmöglichkeiten zu gruppieren, dass sie innerhalb vergleichbar sind. Ich fasse etwa fünf Möglichkeiten zusammen zum Thema Unternehmenskultur, acht Optionen in Anlageninvestitionen und drei zum Thema Sicherheit. Dadurch bin ich in der Lage Vergleichbares vergleichen zu können. Die zu treffende Entscheidung: wieviel Geld und andere Ressourcen stelle ich den verschiedenen Töpfen zur Verfügung – diese Frage kann idealerweise von den übergeordneten Unternehmenszielen und Werten abgeleitet werden.

     

    Soll man daher keine Business Cases erstellen, wenn es ums Ziel mehr Diversität in Unternehmen geht? Nein – es ist wichtig, den Mehrwert darzustellen. Dazu gehören Elemente wie höhere Arbeitszufriedenheit, bessere Kompetenzen ebenso wie finanzielle Erwartungen, die indirekt resultieren. Dies ist sehr wichtig, um Diversität Bedeutung zu geben – man kann die vielfältigen Vorteile zeigen und dokumentieren, die fürs Unternehmen erreichbar sind.

    Um dies praktisch umsetzen zu können, sind noch zwei weitere wesentliche Punkte vorab zu erledigen.

    Diversität in Unternehmen – was bedeutet das und was wollen wir erreichen?

    Der Begriff der Diversität kann sehr unterschiedlich verstanden werden. In der Regel – und das ist absolut verständlich – kommt die Zielsetzung „mehr Diversität“ von Personen, die sich ungerecht behandelt, mit vergleichsweise geringeren Chancen ausgestattet oder sogar diskriminiert fühlen. Das können Frauen ebenso sein wie Menschen mit anderer Hautfarbe als die Mehrheit im Unternehmen, mit anderer sexueller Orientierung oder ältere Personen. Wenn man den Begriff der Diversität weit denkt, kommen zusätzliche Eigenschaften neben den äußerlich erkennbaren Merkmalen dazu, wie etwa extrovertiert vs introvertiert oder Teamplayer vs Einzelkämpfer.

    Meine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen ist es, dass es unter der Überschrift „mehr Diversität“ sehr viele unterschiedliche Arten des Verständnisses und der individuellen Erwartungen gibt – häufig aus der persönlichen Erfahrung heraus. Es empfiehlt sich daher für die Organisation zu definieren, wie weit oder eng der Begriff an sich gesehen wird.

    Damit steht in engem Zusammenhang , was die konkreten Ziele sind.

    Es geht oft darum, mehr Möglichkeiten zu schaffen sowie ungerechte Behandlungen zu unterbinden. Dies ist jedoch nicht die einzige Dimension von Diversität in Unternehmen. Ich differenziere in Bezug auf Diversitätsziele gerne zwischen zwei generellen Ausrichtungen:

    • Defizitorientierung:
      Das Ziel ist es bestehende Defizite, Ungerechtigkeiten oder Diskriminierung zu verringern bzw. zu unterbinden. Abgeleitete Ziele können in die Richtung von mehr Motivation oder Employer Branding gehen oder auch ethisch-moralisch begründet sein.
    • Wertorientierung:
      Das Unternehmen definiert konkrete Ziele und leitet davon Kompetenzen ab. Mehr Diversität hilft dabei, diesbezügliche Lücken zu schließen. Hart formuliert, ist Diversität ein Mittel zum Zweck, da diverse Teams einen breiteren Kompetenzpool bieten als Mini-Me’s.

     

    Es geht weniger darum, ob man einen induktiven oder deduktiven Weg wählt. Wichtiger erscheint, dass aus beiden Ansätzen Ziele ableitbar sind und so die Erwartungen hinsichtlich mehr Diversität konkretisiert werden können. Dadurch fällt es der Organisation leichter, einen „Business Case“ zu formulieren und später anhand der gewählten Kennzahlen zu messen, ob die diesbezüglichen Annahmen realisiert werden konnten.

    Mein persönlicher Ansatz

    Diversität liegt mir als Thema persönlich nahe – sowohl in meiner früheren Konzernrolle als auch jetzt als Unternehmer lege ich hohen Wert auf divers besetzte Teams. Diese Elemente sind der Rahmen dafür, wie ich mit Diversität im Business umgehe:

    • Fairness:
      Dieser Aspekt steht in der persönlichen Wertehierarchie weit oben. Aufs eigene Team übersetzt äußert er sich darin, dass grundsätzlich alle die Möglichkeit haben, sich zugehörig zu fühlen und zur gemeinsamen Zielerreichung beizutragen.
    • Zielorientierung:
      Jede Organisation setzt sich Ziele, um ihre langfristige Vision zu erreichen. Davon leiten sich regelmäßig Aufgaben und Prioritäten fürs Team ab. Diese Team-Ziele zu formulieren, zu kommunizieren und im Fokus zu behalten, ist eine wesentliche Aufgabe für die jeweilige Führungskraft.
    • Kompetenzorientierung:
      Wenn ich ein neues Teammitglied suche, setze ich stets bei den nötigen Kompetenzen an. Es ist daher notwendig, sich ein möglichst gutes Bild davon zu machen, welches Wissen, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten gebraucht werden. Wichtig dabei: versuchen den Fokus nicht im Jetzt, sondern in der Zukunft (3-5 Jahren) zu haben sowie Kompetenzen breit zu denken. Hilfreiche Fragen dabei sind: Was muss die Person in Zukunft können, welche Eigenschaften soll sie haben, und welche Persönlichkeitsmerkmale fehlen momentan im Team?
    • Personalsuche:
      Das Kompetenzprofil hilft mir dabei, in der Rekrutierung nach Personen zu suchen, die meine Lücken im Team bestmöglich abdecken. Demografische Merkmale sind dabei relativ unwichtig – relevanter scheint mir objektive erkennbare Merkmale wie Geschlecht, Alter oder Hautfarbe möglichst auszublenden, um einen möglichst breiten Zugang zum „Kompetenzpool“ zu erhalten. Auch nach langjähriger Beschäftigung mit kognitiven Verzerrungen weiß ich, dass ich dabei nicht vollständig objektiv beurteilen werde. Daher wende ich verschiedene De-Biasing Methoden im Recruiting an.
    • Diversität nutzen:
      Die schwierigste Aufgabe als Führungskraft beginnt, nachdem ein neues Teammitglied an Bord geholt wurde. Diverse Kompetenzen bedeuten diverse Persönlichkeiten und Präferenzen. Die Integration neuer Personen, das schrittweise Heranführen an Aufgaben und die Kommunikation im Team sind entscheidend für den künftigen Erfolg. Reibungspunkte sind wahrscheinlich, als Führungskraft habe ich hier deutlich mehr zu tun als im Falle von Kopien meines eigenen Profils. Ich habe gelernt, dass die zeitliche Investition in dieser Phase bereits nach wenigen Monaten erste Früchte trägt. Diversität im Team bedeutet, dass sich die Kompetenzen wechselseitig ergänzen. Dadurch können komplexe Fragestellungen besser gelöst werden.

     

    Empfehlungen

    Meine Erfahrungen über die Jahre ist, dass diverse Teams ihre Ziele effektiver und schneller erreichen. Kompetenzorientierung im Recruiting sowie danach in Bereichen wie Personalentwicklung oder Promotion trägt dazu bei, dass die Erfolge des Teams auch außerhalb sichtbar werden. So schließt sich auch der Kreis zum Business Case, erreichte Ziele sind der „Track Record“.

    Kann ich Diversität in Unternehmen daher auch dann nutzen, wenn die Unternehmenskultur nicht entsprechend ist? Die Antwort lautet deutlich: ja. Als Führungskraft kann ich mein Team gestalten und entwickeln. Wenn mein divers aufgestelltes Team gute Leistungen erbringt und (auch im Vergleich zu anderen) wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beiträgt, wird dies auch von anderen erkannt. „Wie hast du das gemacht?“ ist die Frage, die dann gerne gestellt wird – nehmen wir sie als Beleg dafür, dass wir Diversität Bedeutung im Business geben können.

    Markus Eckhart

    portrait markus eckhart

    Markus Eckhart ist Initiator von de-biasing.com. Nach 20 Jahren in internationalen Unternehmen gründete er 2019 sein Beratungsunternehmen Mind your business. Dort begleitet er Unternehmen auf Basis seiner Erfahrungen als Führungskraft, primär bei den Themen Entscheidungsfindung und Entscheidungsunterstützung. Zusätzlich arbeitet er mit Einzelpersonen zusammen und unterstützt sie in den Bereichen Sparring, Coaching und Mentoring. Er ist zertifizierter systemischer Coach und Mentaltrainer.
    Bereits in seiner Konzernkarriere beschäftigte er sich mit De-Biasing und dessen praktischer Anwendung. Das Ziel von de-biasing.com ist es, dieses wichtige Thema möglichst  vielen Menschen näher zu bringen und sie bei der Reduktion ihrer Biases zu unterstützen.

    Zur Webseite von Markus Eckhart

     

    Alle Links, die wir im Text verwendet haben

    https://de-biasing.com/biases/bestaetigungsfehler-confirmation-bias/

     

     

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